Text by Arne Lüker
Nach dem Ende des ersten Weltkrieges überwachte der Dechiffrierdienst der britischen Admiralität, benannt nach "Room 40", wo
er ursprünglich untergebracht war, weiterhin den deutschen Funkverkehr. In Room 40 arbeitete eine seltsame Mischung aus
Sprachwissenschaftlern, Altphiloogen und Kreuzworträtsel-Süchtigen, die zu genialen kryptoanalytischen Großtaten fähig waren.
Doch ab 1926 hörten sie Funksprüche, aus denen sie sich keinen Reim mehr machen konnten. Die Enigma
hatte ihren Dienst angetreten., und je mehr Geräte die Deutschen benutzten, desto weniger Aufklärungserfolge konnte Room 40
erzielen. Mehr und mehr Kryptoanalytiker gaben auf, und auch ihre Kompetenz kränkelte. Offenbar nahm man an, dass von
Hitlers neuem Deutschen Reich nach der vernichtenden Niederlage des ersten Weltkrieges keine große Gefahr mehr ausging.
Dies erwies sich bald als eine schwere Falscheinschätzung. Schon bald nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges schien die
Enigma, hauptsächlich im U-Bootkrieg, entscheidend zum Erfolg der Deutschen beizutragen; die Moral der Alliierten sank auf
den Gefrierpunkt. Die deutschen U-Boote kontrollierten die Ozeane nach belieben und die Briten, wie auch die Amerikaner, waren
zum ernüchternen Zuschauen verdammt.
Doch schauen wir zurück. Ein Land konnte es sich nicht leisten, untätig zu sein: Polen! Polen war nach dem Ersten Weltkrieg erneut ein souveräner
Staat geworden und hatte mit dem Vereinigtem Königreich einen mächtigen Verbündeten an seiner Seite. Doch es sah sich im Osten
durch die Sowjetunion und im Westen durch Deutschland bedroht. Daher versuchte es alles nur Erdenkliche über diese beiden
Staaten herauszufinden. Die Enigma brachte den polnischen Dechiffrierdienst sogar dazu, einen Hellseher einzustellen - doch ohne Erfolg.
Dann trat Marian Rejewski, ein schüchterner, bebrillter junger Mann von dreiundzwanzig Jahren, der Statistik studiert hatte,
auf die Bühne der Geschichte. Und unsere Geschichte über die Überwindung der Enigma beginnt genau hier.
Er suchte nach Wiederholungen - und fand sie. Zu Beginn jeder Meldung sendete der Sender zweimal hintereinander den
Tagesschlüssel für die Einstellung der drei Walzen, um Fehler bei der Entschlüsselung zu vermeiden. War der Tagesschlüssel
also ULJ, sendete er ULJULJ, was vielleicht PEFNWZ ergab.
Rewjewski konzentriert sich nur auf die ersten sechs Ziffern eines Funkspruches. Der erste und der vierte Buchstabe sind
entschlüsselt derselbe, der zweite entspricht dem fünften, der dritte
dem sechsten.
Selbst als die Deutschen ihr Verfahren der Nachrichtenübermittlung leicht modifizierten - sie ließen nun die ersten sechs
Ziffern weg - war Rejewski mit seinem Latein nicht am Ende. Er kannte nun die Funktionsweise der Enigma und war in der Lage,
ein Equivalent zu konstruieren, welches automatisch die richtige Walzenkonfiguration fand. Wegen der sechs möglichen
Walzenlagen mußte man sechs von Rajewskis Maschinen parallel arbeiten lassen, jede mit einer der möglichen Walzenlage.
Die gesamte Anlage konnte den jeweiligen Tagesschlüssel in bis zu zwei Stunden finden. Sie wurde als die Bombe bezeichnet,
ein Name, der vielleicht auf das Ticken und Klicken der einzelnen, und sehr zahlreichen, Relais schließen läßt.
Doch er ist trivialer Natur: Rejewski bekam die Idee zu der Maschine, als er iin einem Café eine Bomba, eine Eisbombe, verspeiste.
Die Bomben mechanisierten jedenfalls von Grund auf den Prozeß der Entzifferung und waren die unvermeindliche Antwort auf die
Mechanisierung der Verschlüsselung durch die Enigma.
Unentwegt arbeiteten Rejewski und seine Kollegen in den dreißiger Jahren an der Aufdeckung der Enigma-Schlüssel.
Ihr Leben drehte sich nur noch um das Auffinden des jeweiligen Tagesschlüssels, und die Bombe hatte ihre Tücken:
Sie besaß zum Beispiel unzählige Röhren; und wenn eine ihren Dienst versagte, was etwa zweimal pro Tag geschah,
müßten alle Röhren überprüft werden, um die beschädigte zu finden.
![]()
Im Dezember 1938 war Rejewski mit seinem Latein endgültig am Ende. Die Deutschen gaben zwei neue Walzen an alle Chiffreure
heraus - die Zahl der möglichen Walzenlagen stieg auf 60. Im Monat darauf stieg die Zahl der Steckerverbindungen von sechs
auf zehn. Die Zahl der möglichen Schlüssel stieg nun auf 159.000.000.000.000.000.000.
![]()
Leider gibt es keine Aufzeichnungen darüber, wie das verdutze Publikum im ersten Moment reagierte, als es erfuhr, dass das
minderbemittelte Polen im Kampf gegen die Enigma der restlichen Welt um Jahrzehnte voraus war. Vor allem die Franzosen müssen
herrliche Gesichter gemacht haben, als sie erkannten, daß sie die Quelle, die Langer jahrelang den Tagesschlüssel zukommen
ließ, einst als nutzlos abgeschrieben hatten.
Dreizehn Jahre lang hatten die Briten gedacht, die Enigma wäre uneinnehmbar, doch nun, nach der Offenbarung in Polen,
schöpften sie neue Motivation. Zudem hatten sie eingesehen, dass Mathematiker durchaus erfolgreiche Codebrecher sein konnten.
Im Room 40 hatte bisher die Linguisten und Altphilologen stets die erste Geige gespielt, doch nun rekrutierte man haufenweise
Mathematiker und Naturwissenschaftler und brachte sie nach Bletchley Park in Buckinghamshire, dem Sitz der Government Code
and Cypher School (GC&CS). Dieser Schritt hatte einen guten Grund: Im Ersten Weltkrieg hatten die Deutschen noch zwei
Millionen Wörter im Monat gesendet - weitgehend über die
Morse Telegraphie - doch nun rechnete man damit, dass die
Einführung des Funkgerätes im anstehenden Krieg zur Übermittlung von zwei Millionen Wörtern am Tag führen konnte.
Also brauchte man weit mehr Menschen zur Berabeitung dieser Flut von Wörten, und Bletchley Park, ein altes viktorianisches
Herrenhaus im Stil der Tudor-Gotik, bot den Platz, den man zu gebrauchen gebrauchen könnte.
![]() Sie alle hatte strengste Geheimhaltungspflichten unterschrieben, die zum Teil erst kurz vor der Jahrtausendwende von der englischen Regierung aufgelöst wurden. Die Decheffrierung begann mit der Abhörung des deutschen Funkverkehrs. Hier ist zum Beispiel eine von der deutschen Marine gesendete Morse-Nachricht, die im Bletchley Park aufgefangen wurde. Der gute, alte Morse-Code wurde im Zweiten Weltkrieg auch noch häufig benutzt. ...to be continued.... |
[ back ]